In einer Baindter Wohnung kommt es am 2. November 2015 zu einer verhängnisvollen Begegnung. Ungefähr neun junge Menschen – die Anzahl schwankt von Aussage zu Aussage – treffen sich gegen 21 Uhr zu einer Aussprache im Zimmer einer 21-Jährigen. Das Thema: Auf der Halloween-Party am Abend zuvor sind 3000 Euro verschwunden, die angeblich der 21-Jährigen gehören. Wer hat das Geld gestohlen?

Ravensburg/Baindt Die Anwesenden haben unter sich einen Verdächtigen ausgemacht, der aber beharrlich die Tat leugnet. Daraufhin soll die Schwester der 21-Jährigen den mutmaßlichen Dieb mit einer Schreckschusspistole zum Geständnis und zur Herausgabe des Geldes genötigt haben. Zudem soll ein 23-Jähriger ihn mit den Händen am Hals gepackt und gewürgt haben. Am Tag zuvor hatte die 21-Jährige bereits bei der Polizei Anzeige erstattet. Diese zieht sie aber wenige Wochen später wieder zurück. Das Geld sei wieder aufgetaucht, alles sei ein Missverständnis gewesen. Dann erfolgt eine weitere Anzeige der 21-Jährigen. Sie habe die Anzeige zurückgezogen, weil sie massiv mit den Worten „wenn du die Anzeige nicht zurücknimmst, dann passiert etwas, was du dir nicht vorstellen kannst“ bedroht worden sei.

So stellte Staatsanwältin Juliane Prasse den Sachverhalt aus Sicht der Staatsanwaltschaft am Mittwoch im des Landgerichts Ravensburg dar. Auf der Anklagebank sitzen zwei Brüderpaare und die 24-jährige Schwester der 21-Jährigen. Ihnen wird gemeinschaftliche schwere räuberische Erpressung zur Last gelegt, weil sie den Dieb an jenem Abend zur Herausgabe der 3000 Euro gezwungen haben sollen, um das Geld unter sich aufzuteilen. Zwei der Männer sollen dann die 21-Jährige massiv bedroht haben.

Die vier Männer im Alter von 21 und 22 Jahren sowie 21 und 23 Jahren, wollten am ersten Prozesstag keine Angaben zur Tat machen. Die 24-Jährige Frau ließ durch ihren Rechtsanwalt Uwe Rung eine Erklärung verlesen. Darin behauptet sie, sie sei zwar zur Tatzeit in der Wohnung gewesen, aber nicht in jenem Zimmer, in dem sich die Erpressung abspielte. Sie könne deswegen den mutmaßlichen Dieb auch gar nicht mit einer Schreckschusspistole bedroht haben. Sie nannte dem Gericht fünf Zeugen, die dies bestätigen könnten.

Stammt Geld aus Drogengeschäft?

Im Verlauf des ersten Verhandlungstages hörte die Kammer zu diesem Fall vier Zeugen. Der Vater der beiden Schwestern, ein 46-Jähriger, bestätigte zwar, dass es an besagtem 2. November zu einem – wie er sich ausdrückte – „klärenden Gespräch“ gekommen sei. Es sei im Zimmer seiner Tochter zwar laut geworden und er habe einem dumpfen Schlag gegen die Zimmerwand gehört. Über Inhalt und Ausgang des Treffens konnte er keine Angaben machen. Er sprach lediglich Vermutungen aus. Woher seine fast mittellose Tochter 3000 Euro habe, erklärte er, sie habe sich das Geld wahrscheinlich zusammengespart. Wie im weiteren Verlauf der Verhandlung zu hören war, ist wegen der 3000 Euro inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Verdacht: Das Geld stamme aus illegalen Geschäften, vermutlich mit Drogen. Zudem verstrickte sich der 46-Jährige in Widersprüche, wem das Geld tatsächlich gehöre bis er entnervt gar nichts mehr sagte.

Zur überraschenden Wende in diesem Prozess wurde die Aussage des mutmaßlichen Diebes, der als Geschädigter und Zeuge auftrat. Er gab zu, dass er tatsächlich das Geld gestohlen habe – seine Tat wird am 4. Oktober vor dem Amtsgericht Leutkirch verhandelt. Als ihm der Vorsitzende Richter Maier fragte, ob er am Abend des 2. November mit einer Schreckschusspistole bedroht worden sei, zeigte er sich etwas überrascht. „Ich? Von denen“, rief er laut und zeigte auf die Anklagebank. „Wer erzählt den so was?“ Den Würgegriff, den ein Angeklagter ihm angetan haben soll, habe es nie gegeben. Die vier angeklagten Männer seien zwar an besagtem Abend im Zimmer der 21-Jährige gewesen und hätten ihn bedrängt, den Diebstahl zu gestehen. Er habe aber beharrlich die Tat geleugnet, weil er sich geschämt habe. Es sei laut geworden, aber insgesamt sei die Atmosphäre an diesem Abend „chillig“ gewesen.

Die 24-Jährige Angeklagte belastete er hingegen schwer. Sie sei bei ihm vor der Haustür mit zwei „Jungs“ gestanden und habe die Herausgabe der 3000 Euro von ihm gefordert. Dabei habe sie ihn mit einer Schreckschusspistole bedroht. In der Nacht seien vier oder fünf Männer vor seinem Haus erschienen, denen er das Geld aus Angst gegeben habe. Als Zeugin für die Bedrohung sagt seine Mutter aus und bestätigte die Bedrohung durch die 24-Jährige.

Die 21-Jährige, die das Ganze mit ihrer Anzeige ins Rollen brachte, verweigerte die Aussage.

Ob die Anklage nach diesem Prozesstag in dieser Form noch zu einer Verurteilung reicht, ist fraglich. Das ließ auch der Vorsitzende Richter Maier durchblicken. Am 11. Oktober wird der Prozess fortgesetzt.

Bericht der Schwäbischen Zeitung