Ein Vater soll sich an seiner Tochter vergangen haben. Doch das Gericht konnte dafür keine Beweise erkennen. Verfahren entlaste den Angeklagten vielmehr. Richter und Verteidiger kritisieren Klinik.

Das Landgericht Ravensburg hat einen 53-Jährigen aus Weingarten vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann vorgeworfen, sich Ende April des vergangenen Jahres an seiner damals zehnjährigen leiblichen Tochter vergangen zu haben.

In seinem Plädoyer forderte Staatsanwalt Michael Höhn am Dienstag eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten für den Angeklagten. Verteidiger Uwe Rung hatte einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert.

 

Ein extrem herausforderndes Verfahren

Der Vorsitzende Richter Franz Bernhard sprach in seiner Urteilsverkündung von einem „extrem herausfordernden“ Verfahren. Die Verhandlung habe den Verdacht gegen den 53-Jährigen nicht erhärtet. Im Gegenteil: Die Beweisaufnahme sei eher entlastend für den Vater gewesen. Für eine Verurteilung brauche es auch die Gewissheit.

„Diese Gewissheit hat es nicht gegeben“, sagte Bernhard.

Hauptgrund sei dafür gewesen, dass die Mutter und das Kind von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben und nicht vor Gericht aussagten. Was an jenem Tag Ende April vergangenen Jahres passiert sei, hätten Zeugen lediglich aus Erzählung des Kindes vor Gericht wiedergeben können. Der Zettel, auf dem das Kind eine Notiz über die Tat hinterlassen haben soll, konnte nicht gefunden werden.

 

Zweifel an der Tat

Zudem äußerte Bernhard Zweifel, ob es überhaupt eine Tat gegeben habe. Der Befund des Krankenhauses rufe Fragezeichen hervor. Auf den vor Gericht gezeigten Bilder sei keine Verletzung erkennbar gewesen. Grund dafür ist auch die verspätete Spurensicherung. „So kann das nicht laufen“, sagte Bernhard. Das gehe nicht, bei einem so schwerwiegenden Verdacht.

Auch der Rechtsmediziner Sebastian Kunz, der als Gutachter beurteilte, ob die Verletzungen des Mädchens mit dem Tatvorwurf vereinbar sind, kritisierte die verspätet durchgeführten Abstriche. Die Spuren hätten sich verwischt. Die Verletzungen des Kindes seien jedoch so oder so nicht spezifisch für einen sexuellen Missbrauch, vielmehr könne dem vieles zugrunde liegen.

 

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„Die Befundlage ist nicht eindeutig. Die kleine Verletzung hätte sowohl von einer Verstopfung als auch von einer Penetration stammen können“, fasst Kunz zusammen. Die behandelnde Kinderärztin habe ihm bestätigt, dass die Zehnjährige immer wieder an Verstopfung leide.

 

Vater bestreitet die Tat

Die Polizei hatte zudem eine Hausdurchsuchung sowie die Untersuchung des Autos des Angeklagten durchgeführt. Computer und andere technische Geräte seien beschlagnahmt und untersucht worden. Nirgends waren Hinweise auf eine mögliche kinderpornografische Neigung zu finden. „Kein Befund ist auch ein Ergebnis“, sagte Richter Franz Bernhard.

Durch seinen Anwalt Uwe Rung hatte der Angeklagte eine Erklärung zur Sache abgegeben und den Tatvorwurf vollumfänglich bestritten. Es habe seiner Tochter gegenüber zu keiner Zeit übergriffige Handlungen gegeben. Die Ursache für die Verletzungen der Tochter könne sowohl von einer der häufigen Darmverstopfungen kommen, als auch davon, dass sie mit einem Spielzeug an sich gespielt habe.

Das Kind sei laut seiner Lehrerin, so der 53-Jährige in der Erklärung, in der Schule nicht beliebt gewesen, weil es häufiger gelogen habe. Dass sich seine DNA-Spuren auf dem Slip der Tochter befunden haben, könne nur daher kommen, dass sowohl seine als auch ihre Kleidung in demselben Wäschekorb lagen.

 

Abstriche zu spät genommen

Dass dem so war, hat auch die DNA-Sachverständige für möglich gehalten. Sie hatte diverse Kleidungsstücke des Mädchens und des Vaters sowie Abstriche der beiden untersucht. Auch die DNA der Mutter sei teilweise zu sehen gewesen. „Eine DNA-Übertragung auf der Kleidung in einem gemeinsamen Haushalt ist durchaus möglich“, so die Sachverständige.

 

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Weder auf dem Mädchen selbst noch auf am Rest ihrer Kleidung wurden Sperma oder andere Körperflüssigkeiten gefunden. Die Abstriche der Zehnjährigen seien im Krankenhaus allerdings erst mehr als zwölf Stunden später genommen worden, was für die DNA-Analyse mehr als ungünstig sei. Eine wichtige Untersuchung habe gänzlich gefehlt.

Verteidiger Rung hatte in seinem Plädoyer vor der Urteilsverkündung von „vernünftigen Zweifel“ im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf gegen seinen Mandanten gesprochen. Dem Krankenhaus warf er vor, nur in Richtung sexuellem Missbrauch gedacht und untersucht zu haben. Nach der Verkündung des Freispruchs brach der 53-Jährige in Tränen aus.

Quelle: www.schwaebische.de