03. April 2005 Ein zerbrochener Stuhl, blutverschmierte Textilien, Plastikhüllen von Medizinbesteck: Vor der evangelisch-methodistischen Christuskirche in Stuttgart-Zuffenhausen lagen am Sonntagnachmittag stumme Zeugen eines Blutbads. Der Amoklauf eines 25jährigen mit einem Samuraischwert kostete eine 43jährige Frau das Leben. Drei weitere Besucher eines Gottesdienstes wurden schwer verletzt: Eine Frau und ein Mann schwebten am frühen Abend noch in Lebensgefahr.

Nach Polizeiangaben wütete der Täter mit dem Schwert so schrecklich, daß einem weiteren Mann die Hand abgetrennt wurde. „Es ist die Rede von abgeschlagenen Gliedmaßen, die in der Kirche herumlagen“, sagte Polizeisprecherin Sybille Ahlborn.

Opfer und Täter gehören einer tamilischen Gemeinde an, die seit Jahren das Gotteshaus in der Cheruskerstraße besucht. Politische Motive schloss die Polizei aus und vermutet eher familiäre Konflikte. Tamilen leben vornehmlich auf Sri Lanka und im Süden Indiens.

Am Hals blutend an der Straßenecke niedergesunken

Eine Anwohnerin berichtete, daß ungefähr 50 Menschen, darunter auch Kinder, schreiend auf die Straße gelaufen seien. Einige hätten abgebrochene Stuhlbeine als Verteidigungswaffen in der Hand getragen. Eine junge Frau sei am Hals blutend an der Straßenecke niedergesunken. Dort waren riesige Blutflecken auf dem Bürgersteigpflaster zu sehen, eine schwarze Haarlocke neben einem Plastikschlauch und eine Infusionsflasche. Die Tote lag noch am Nachmittag vor der weiträumig abgesperrten Kirche. Unter der schwarzen Plastikabdeckung lugte ein bestrumpfter Fuß hervor. Ein hochhackiger schwarzer Damenschuh lag ein paar Meter entfernt davon.

Laut Polizei kam es zu Tumulten, als der aggressive Täter die Kirche betrat. In Panik versuchten die Gläubigen, ihn mit Stühlen hinaus zu drängen. Dabei hieb der Mann, der auch eine Pistole bei sich trug, wahllos auf die Menschen ein. An der Tür des Gotteshauses wurde er von Polizisten gestellt und zur Aufgabe aufgefordert. Als er dies verweigerte, überwältigten ihn die Beamten mit Pfefferspray und nahmen ihn fest.

Möglicherweise gingen die Gläubigen Kirchenbesucher so rasch und massiv gegen den Mann vor, weil er schon vor Ostern persönliche Probleme in die Kirche getragen hatte. „Das war aber nicht so evident, dass dieses Drama vorauszusehen gewesen wäre“, sagte Kühnen. Auch bei anderer Gelegenheit sei der Mann polizeilich schon einmal in Erscheinung getreten.

Polizei schließt politische Motive aus

Die Hintergründe der Tat sind noch nicht ganz geklärt. Die Polizei schloß aber politische Motive aus. Möglicherweise sei die familiäre Situation Grund für das sinnlose Morden. Der leitende Kriminaldirektor Michael Kühnen sprach von einer „Beziehungsgeschichte“. Der Mann soll an diesem Montag dem Haftrichter vorgeführt werden.

Etwa 60 Gemeindemitglieder, davon die Hälfte Kinder, wurden von Seelsorgern in einem benachbarten Kindertagesheim versorgt. „Den Kindern geht es den Umständen entsprechend gut“, berichtete Kühnen. Einige spielten schon wieder auf dem zum Heim gehörenden Spielplatz.

Nach Angaben der Augenzeugin aus der Nachbarschaft waren die Methodisten schon seit Jahren sonntagnachmittags zu ihren Gottesdiensten in dem vornehmlich von Ausländern bewohnten Stadtteil gekommen. „Das sind so ruhige Leute, da hört man gar nichts“, berichtete die 56jährige. Nur an diesem furchtbaren Sonntagnachmittag war sie von den Schreien der fliehenden Gottesdienstbesucher aus dem Schlaf geschreckt worden.

Bluttat mit schrecklichen Vorbildern

Einen Amoklauf mit einem Schwert hatte es zuletzt erst im Oktober vergangenen Jahres gegeben. Damals metzelte ein 22jähriger den Besitzer eines Waffenladens in Amberg in der Oberpfalz mit einem Samurai-Schwert nieder. Wie ein Samurai mit freiem Oberkörper tötete zudem im April 2004 ein 25-Jähriger in Schleswig-Holstein einen 22 Jahre alten Mann mit sechs Schwertstichen. Ein 18jähriger konnte sich gerade noch vor dem Täter retten.

Bundesweit Aufsehen hatte auch der Amoklauf eines 24jährigen Versandhaus-Angestellten aus Pforzheim erregt, der im September 2003 einer 27jährigen Kollegin ebenfalls mit einem Samurai-Schwert den Schädel gespalten und sie getötet hatte. Im Juni 2002 hatte ein 22jähriger in Bayern seine Mutter mit einem Schwert geköpft.

Bericht von FAZ.NET