Eine 27-jährige Frau aus Friedrichshafen, die mehrfach ohne Fahrschein im ICE gefahren war, hatte beim Landgericht Ravensburg Berufung eingelegt: Sie hoffte, dass die Gefängnisstrafe, zu der sie das Amtsgericht Tettnang verurteilt hatte, zur Bewährung ausgesetzt wird. Aber die Kleine Strafkammer lehnte eine Bewährung ab.

Ravensburg/Friedrichshafen – „Bitte alles außer Gefängnis“, hat die 27-jährige Frau in ihrem Schlusswort geradezu inständig vor der 6. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Ravensburg gebeten. Aber Richter Veiko Böhm und die beiden Schöffinnen blieben hart: Die Frau muss wegen mehrfachen Schwarzfahrens und angesichts einschlägiger Vorstrafen drei Monate ins Gefängnis, nur einen Monat weniger, als das Amtsgericht Tettnang in seinem Urteil ausgesprochen hatte.

Im Saal 3 des Landgerichts werden die kleinen Strafsachen verhandelt. Kleine Betrügereien, Diebstähle, Verkehrssachen, Beleidigungen. Meist wollen die zuvor von einem Amtsgericht Bestraften mit der Berufung eine Reduzierung der Strafe, eine Bewährungsstrafe oder gar den Freispruch. Zuweilen entpuppen sich die vermeintlich kleinen Geschichten aber als ziemlich düstere Einblicke in kuriose Tatumstände oder verkorkste Lebensläufe. Um so einen Fall handelt es sich bei der Angeklagten. „Sie sind eine Angeklagte, wie man sie sich wünscht“, sagt Richter Böhm, „aufrichtig, freundlich und zurückhaltend. Und ihre Biografie möchte niemand von uns haben.“ Soll heißen: Kindheit bei Pflegeeltern, später im Heim. Die Schule kurz vor dem Abschluss abgebrochen. Keine Berufsausbildung, Mutter von zwei Kindern, zu denen „seit längerem kein Kontakt besteht“. Als Richter Böhm nach den Schulden fragt, kommt als Antwort: „Ich schätze 30 000 Euro.“

Aber „es gab halt immer wieder was“, sagt der Richter, auf den ersten Blick Kleinigkeiten, „aber es sind eben Straftaten.“ Und die summierten sich: immer wieder Diebstähle, mal aus einer Firmenkasse, mal in Kaufhäusern und Lebensmittelläden. Amtsgerichte in Sigmaringen, Biberach und Tettnang verhängten zunächst Bewährungsstrafen, aber irgendwann musste die junge Frau ins Gefängnis, fünf Mal in den vergangenen Jahren.

Und jetzt die Geschichte mit den Schwarzfahrten. Zu der Zeit lebte sie im östlichen Bodenseekreis. Verliebt in einen Mann in Bad Kreuznach, reiste die Frau mit der Deutschen Bahn, voller Gefühle, aber ohne Fahrschein im ICE. Sechs Mal wurde sie erwischt, in drei Fällen angeklagt. Der Schaden für die Bahn wurde auf 106,10 Euro beziffert. Der Angeklagten ist das alles peinlich: „Ich hätte mehr denken sollen, habe mich schnell mitreißen lassen, möchte eine geregelte Arbeit suchen und ein normales Leben führen.“

Am Ende aber bleibt es bei einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Der Schlussgedanke kommt von dem Strafverteidiger Uwe Rung. Der stellt die Frage: „Was soll die Strafe bringen?“ Und beantwortet sie auch selbst: „Nichts…“

Teure Schwarzfahrt
Wer beim Schwarzfahren im Bus oder der Bahn erwischt wird, muss zahlen: Seit 1. Juli 2015 hat sich die Geldstrafe von 40 auf 60 Euro erhöht. 2014 wurden 271 000 Fälle registriert. Der Schaden für die Deutsche Bahn soll jährlich rund 250 Millionen betragen. Nach Paragraf 265a Strafgesetzbuch zählt die Beförderungserschleichung zur Bagatell- oder Massenkriminalität. Neben der Geldstrafe droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Bericht vom Südkurier